Als ich mein erstes richtiges Coming-out bei der Arbeit hatte, war ich nervöser, als ich es je zugeben würde. Es war ein großes Büro, viele Kollegen, und die Angst vor Vorurteilen oder verändertem Verhalten schwirrte mir ständig durch den Kopf.
Doch genau an einem Montagmorgen in der Küche beim Kaffeeholen — es war einer dieser seltenen Momente, in denen nur eine andere Person da war — habe ich es ausgesprochen.
Meine Kollegin hat einfach nur gelächelt und gefragt, wie lange ich schon in einer Beziehung bin.
Was mir klar wurde: Das Coming-out kann so einfach oder schwer sein, wie man es sich selbst macht. Jeder hat seine eigene Geschichte, und dieser Leitfaden soll dir helfen, deinen besten Weg zu finden.
Inhalt des Ratgebers
- Sich am Arbeitsplatz outen: Nur die Hälfte der LGBTQ+ fühlt sich wohl
- Warum sich ein Coming-out bei der Arbeit lohnen kann
- Die richtige Vorbereitung: Wichtige Fragen klären
- Angst, anders gesehen zu werden
- Diskriminierung am Arbeitsplatz
- Wie du dein Coming-out gestalten kannst
- Mögliche Reaktionen und wie du damit umgehen kannst
- Die Notwendigkeit einer unterstützenden Kultur
- LGBTQ+ Jugendliche und der Arbeitsmarkt
- Tipps für ein erfolgreiches Coming-out bei der Arbeit
- Dein Coming-out, dein Tempo
Sich am Arbeitsplatz outen: Nur die Hälfte der LGBTQ+ fühlt sich wohl
Die Arbeitswelt kann für LGBTQ+ Menschen herausfordernd sein – eine aktuelle Studie zeigt, dass nur die Hälfte der Befragten sich wohl fühlt, wenn sie sich am Arbeitsplatz outen.
Eine kürzlich von der Beratungsfirma Deloitte durchgeführte Studie hat ergeben, dass nur etwas mehr als die Hälfte der LGBTQ+-Personen in Großbritannien es als angenehm empfindet, sich am Arbeitsplatz zu outen.
Im Vergleich dazu fühlten sich nur 43% der weltweit befragten LGBTQ+-Personen wohl dabei, am Arbeitsplatz offen queer zu sein.
Warum sich ein Coming-out bei der Arbeit lohnen kann
Es gibt viele Gründe, warum ein Coming-out am Arbeitsplatz positiv sein kann. Der wichtigste ist wohl, dass du dich nicht verstellen musst. Authentisch zu sein und zu wissen, dass deine Kollegen dich für die Person respektieren, die du bist, kann die Arbeitsatmosphäre stark verbessern.
Das Gefühl, ein Geheimnis verbergen zu müssen, kann belastend sein und dich davon abhalten, dein volles Potenzial auszuschöpfen.

Ein offenes Umfeld fördert das Wohlbefinden, die Kreativität und die Zusammenarbeit im Team. Viele Unternehmen setzen sich inzwischen für Diversität und Inklusion ein, weshalb es von Vorteil sein kann, auch deinen Beitrag zur Offenheit zu leisten.
Die richtige Vorbereitung: Wichtige Fragen klären
Bevor du dich entscheidest, bei der Arbeit ein Coming-out zu machen, solltest du dich vorbereiten. Hier sind einige Überlegungen, die dir helfen können:
- Unternehmensklima: Wie steht dein Unternehmen zur LGBTQ+-Community? Gibt es Hinweise auf eine offene, akzeptierende Unternehmenskultur, wie z. B. Pride-Veranstaltungen oder eine Diversity-Policy?
- Unterstützung im Umfeld: Gibt es Kollegen, denen du vertraust und die dich unterstützen würden? Falls ja, könnte es hilfreich sein, dich zuerst einem von ihnen anzuvertrauen.
- Dein eigenes Gefühl: Fühlst du dich bereit und sicher genug, diesen Schritt zu gehen? Ein Coming-out sollte immer eine freie Entscheidung sein, kein Zwang.
Angst, anders gesehen zu werden
Interessanterweise haben 43% der LGBTQ+-Personen in Großbritannien Angst davor, von ihren heterosexuellen Kolleginnen und Kollegen anders wahrgenommen zu werden. Dieser Prozentsatz ist sogar etwas höher als der weltweite Durchschnitt von 39%.
Diskriminierung am Arbeitsplatz
Fast die Hälfte der britischen Befragten (49%) gab an, aufgrund ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein. Weitere 38% haben homophobes oder transphobes Verhalten erlebt, einschließlich sexueller Witze.

Wie du dein Coming-out gestalten kannst
Es gibt viele Möglichkeiten, deinen Arbeitskollegen mitzuteilen, dass du schwul bist. Hier sind einige Ansätze, die dir helfen können, die für dich passende Methode zu finden:
1. Das persönliche Gespräch
Der direkte Weg ist oft der einfachste. Ein persönliches Gespräch, sei es im kleinen Kreis oder mit einer Person deines Vertrauens, bietet dir die Chance, dich zu erklären und Fragen zu beantworten. Besonders hilfreich kann es sein, wenn du zunächst jemanden auswählst, von dem du weißt, dass er unterstützend reagieren wird. Das gibt dir Selbstvertrauen für weitere Schritte.
2. Ein beiläufiges Erwähnen
Viele Menschen finden es hilfreich, ihr Coming-out beiläufig in einem Gespräch zu erwähnen. Beispielsweise könntest du im Rahmen eines normalen Gesprächs erzählen, dass du am Wochenende mit deinem Freund im Kino warst. Auf diese Weise machst du keinen großen Moment daraus und behandelst es als das, was es ist: Ein Teil deines Lebens.
3. In einem Team-Meeting
Wenn du dich wohl dabei fühlst und dein Team bereits etwas enger zusammengewachsen ist, kannst du es auch in einem Team-Meeting thematisieren. Dies bietet die Gelegenheit, direkt viele Leute zu informieren, ohne dass du das Gespräch immer wiederholen musst. Diese Variante kann besonders dann sinnvoll sein, wenn die Unternehmenskultur sehr offen und wertschätzend ist.
Mögliche Reaktionen und wie du damit umgehen kannst
Das Wichtigste beim Coming-out sind die Reaktionen deiner Kollegen. Meistens verlaufen diese positiv oder zumindest neutral. Hier sind einige typische Reaktionen und wie du damit umgehen kannst:
- Neugierde: Manche Kollegen stellen vielleicht Fragen, die für dich persönlich sind. Du bist nicht verpflichtet, jede Frage zu beantworten. Grenzen zu setzen ist okay.
- Unterstützung: Viele Menschen werden dich unterstützen und zeigen, dass sie hinter dir stehen. Diese Unterstützung kann dir helfen, dich wohler zu fühlen.
- Unbehagen oder Ablehnung: Es kann vorkommen, dass sich jemand distanziert oder unwohl fühlt. Das liegt oft an Unwissenheit. Wichtig ist, dass du nicht anfängst, dich zu rechtfertigen oder in Diskussionen zu verstricken. Bleib ruhig und suche gegebenenfalls das Gespräch, um Missverständnisse auszuräumen.
Die Notwendigkeit einer unterstützenden Kultur
Phil Mitchell, Mitbegründer des LGBTQ+ Mitarbeiternetzwerks Proud bei Deloitte, betont die Bedeutung von Unterstützung und Respekt am Arbeitsplatz. Seiner Meinung nach sollten Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, um eine positive Kultur der LGBTQ+-Inklusion zu gewährleisten, die auf Respekt basiert.

LGBTQ+ Jugendliche und der Arbeitsmarkt
Eine frühere Studie der LGBTQ+ Wohltätigkeitsorganisation „Just Like Us“ hat ergeben, dass ein Viertel der jungen LGBTQ+ Menschen aus Angst vor der Wahrnehmung durch ihre Kolleginnen und Kollegen lieber wieder ungeoutet wäre. Außerdem verdienen junge LGBTQ+ im Durchschnitt weniger als ihre heterosexuellen Kolleginnen und Kollegen. Amy Ashenden, Interim-CEO von Just Like Us, betont, dass junge LGBTQ+ Menschen das Recht haben, sie selbst zu sein – in der Schule, zu Hause und bei der Arbeit. Es darf keine Ausnahmen geben.
Tipps für ein erfolgreiches Coming-out bei der Arbeit
- Sei authentisch: Verstelle dich nicht und sei ehrlich über deine Gefühle. Authentizität schafft Vertrauen und erleichtert dir das Coming-out.
- Wähle den richtigen Moment: Es ist wichtig, einen passenden Moment zu finden. Stressige Zeiten im Job sind vielleicht nicht ideal, da die Stimmung im Team angespannt sein könnte.
- Hol dir Unterstützung: Sprich mit Freunden oder Familie über deine Entscheidung. Eine starke Unterstützung im Rücken gibt dir Sicherheit.
- Bleib geduldig: Nicht jeder wird sofort richtig reagieren. Manchmal braucht es Zeit, bis Kollegen das verarbeiten können. Gib ihnen diese Zeit.
Dein Coming-out, dein Tempo
Ein Coming-out am Arbeitsplatz ist eine persönliche Entscheidung, die wohlüberlegt sein sollte. Es geht darum, dass du dich wohl und sicher fühlst. Egal, wie du es angehst, das Wichtigste ist, dass du dir selbst treu bleibst und deine Grenzen respektierst. Niemand sollte das Gefühl haben, sich verstecken zu müssen. Und vielleicht, nur vielleicht, wird dein Coming-out auch zu einer Geschichte, die jemand anderem den Mut gibt, den gleichen Schritt zu wagen.