Warum manche Jungs mit Männern schlafen, obwohl sie nicht schwul sind.
Die Frage nach der sexuellen Orientierung ist oft komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Besonders in der Jugend sind sexuelle Experimente keine Seltenheit. Für viele Jungs gehört das gemeinsame Masturbieren mit Freunden zur Pubertät dazu – und manchmal geht es darüber hinaus. Aber heißt das gleich, dass sie schwul oder bi sind? Nicht unbedingt.
Ein verwirrender Abend für Lukas
Lukas erlebte genau so eine Situation. Er und sein bester Freund Jonas verbrachten einen Samstagnachmittag in der Stadt. Sie kauften Klamotten, spielten Billard und kochten später zusammen bei Jonas zu Hause. Was als entspannter Netflix-Abend begann, endete in einer ziemlich unerwarteten Erfahrung. Was als „Kumpel-Wichsen“ begann, endete mit Sex. Das Ungewöhnliche daran: Jonas behauptet, er sei hetero.
Lukas fühlte sich am nächsten Tag ziemlich verwirrt. Wie konnte es sein, dass Jonas, der sonst immer von Frauen schwärmt, so etwas mit ihm gemacht hat? Diese Frage stellen sich viele Jugendliche, die ähnliche Erlebnisse haben.
Die sexuelle Erkundung während der Pubertät
Die Pubertät ist eine Zeit des Ausprobierens. Viele Jungs entdecken nicht nur ihren eigenen Körper, sondern wollen auch verstehen, wie sich verschiedene sexuelle Erlebnisse anfühlen. Dabei kommt es nicht selten zu sexuellen Begegnungen mit gleichgeschlechtlichen Freunden.
Pansexualität vs. Bisexualität
Doch die meisten lassen solche Experimente hinter sich, wenn sie älter werden. Das bedeutet aber nicht, dass ihre Sexualität sich grundlegend verändert. Vielmehr scheint der Reiz solcher Erlebnisse zu verschwinden – oder wird zumindest von anderen Bedürfnissen überlagert.
Warum verlieren viele Hetero-Jungs das Interesse?
Was macht es für heterosexuelle Jungs attraktiv, mit einem anderen Mann zu schlafen, und warum hört dieser Reiz später oft auf? Eine mögliche Antwort ist, dass es bei der rein physischen Befriedigung keinen großen Unterschied macht, ob sie von einem Mann oder einer Frau kommt. Anal- und Oralverkehr können sich ähnlich anfühlen, unabhängig davon, wer die Handlung ausführt.
Doch sobald sich eine emotionale Bindung zu einer Frau entwickelt und der sexuelle Bedarf gedeckt ist, scheint der Drang nach gleichgeschlechtlichen Erlebnissen zu verschwinden. Auch wenn heterosexuelle Männer keine Beziehung haben, entscheiden sich die meisten dagegen, mit einem Mann zu schlafen. Warum?
Heteronormativität und das eigene Selbstbild
Der Grund dafür liegt oft tiefer. Unsere Gesellschaft ist immer noch stark von heteronormativen Vorstellungen geprägt. Auch wenn viele Menschen heute Homosexualität akzeptieren, gibt es einen Unterschied zwischen der Akzeptanz bei anderen und dem eigenen Erleben. Viele Männer sehen gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen als etwas, das nicht zu ihrem Selbstbild als Hetero passt.
Das Denken in festen Kategorien spielt eine große Rolle: Wer sich selbst als heterosexuell sieht, versucht, dieser Rolle gerecht zu werden. Dazu gehört, dass gleichgeschlechtlicher Sex als falsch oder unpassend empfunden wird – auch wenn er durchaus lustvoll sein könnte. Diese inneren Barrieren verhindern oft, dass solche Erfahrungen wiederholt werden.
Sind wir alle ein bisschen bi?
Schon 1948 stellte der „Kinsey-Report“ fest, dass rund 90 Prozent der Männer bisexuelles Verhalten zeigen. Das bedeutet nicht, dass jeder Mann bisexuell ist, aber es zeigt, dass die Grenzen zwischen homo- und heterosexuellen Gefühlen fließend sein können. Viele haben zumindest homoerotische Fantasien oder erleben einmalige gleichgeschlechtliche Erfahrungen – ohne dass sie sich deswegen als schwul oder bi definieren würden.
Vielleicht liegt genau darin die Antwort: Unsere Sexualität ist komplexer, als wir oft zugeben wollen. Anstatt uns an starren Kategorien festzuhalten, sollten wir anerkennen, dass Lust und Gefühle viele Facetten haben können – und dass es okay ist, diese zu erkunden, ohne sich sofort ein Label aufzudrücken.